Bieler Bürger/innen als Schiedsrichter zwischen Parlament und Stadtregierung: Angst vor Demokratie?

Der Bieler Stadtrat steht in der Verantwortung, dem Volk zum zweiten Mal das Budget 2014 zu unterbreiten. Hier wird gezeigt, woran das Bieler Budget 2014 an der Urne gescheitert ist, welche Varianten der Stadtrat beschließen muss und warum Wählerinnen und Wähler jetzt entscheiden können und sollen.

Woran ist das erste Budget 2014 gescheitert?

  1. Am rechten Flügel: Da kam keine konstruktive Zusammenarbeit zustande, die Ablehnung wurde schon vor der Stadtratsdebatte öffentlich deklariert und in der eigenen Direktion wurden Stellen geschaffen. Dieser letzte Widerspruch hat niemanden geschreckt.
  2. An einem barfüßigen Mitte-Rechts-Politiker, der dem Personal die Leviten gelesen hat und ein wenig ungeschickt unterstützt wurde. Dass es gleichzeitig Kader in der Stadtverwaltung gibt, denen längst bewusst ist, welche Leistungen mit wenig Effekt zu streichen, welche Stellen abzubauen wären, das haben nur Insider erfahren.
  3. An der Linken, die sich immer noch nicht in die Rolle der Minderheit schickt.
  4. Am Gemeinderat, der nicht Stellung bezogen hat.

Das erste Budget war richtig. Die politischen Positionsbezüge links und ganz rechts waren hinterhältig.

Das sieht die Leiterin des Regionalressorts in ihrem heutigen Kommentar anders: „Jetzt sollen die Subventionen weniger stark beschnitten werden und die vorgeschlagene Steuererhöhung fällt viel moderater aus als bei der ersten Version. Das Resultat ist, dass beide ausgearbeiteten Vorschläge für das Budget 2014 mehrheitsfähig sind.“ (Bieler Tagblatt, 18.01.14, Frontseite) Wir werden auch nach der Abstimmung nicht wissen, wer von uns beiden Recht hat.

Was ich jetzt tun würde? Welches Budget ich möchte? Wie ich vorgehen würde? So:

  1. Alle zusätzlichen Ausgaben im Vergleich zum ersten präsentierten Budget wieder rückgängig machen.
  2. Zwei Varianten vorlegen:
    1. ohne Steuererhöhung, was der Verpflichtung zu wirklichen Reorganisationen entspricht,
    2. mit erheblicher Steuererhöhung, was die Attraktivität der Stadt für den Mittelstand senkt.

Tun wir doch nicht so, als gäbe es einen dritten Weg. Es ist doch verständlich, dass der linke Gemeinderat nur umverteilen will. Es ist offensichtlich, dass im Parlament eine Mitte-Rechts-Mehrheit herrscht. Das haben die Wählerinnen und Wähler gewollt. Also müssen sie jetzt den Schiedsrichter zwischen Parlament und Stadtregierung sein. Bringen wir den mündigen Bürger und die mündige Bürgerin in diese Position. Sie werden uns sagen, was Sache ist. Keine Angst vor Demokratie!

Replik zum Anwurf des Sozialdirektors

Am Anfang stand eine Stadtpräsidentenwahl, die nicht gewonnen werden konnte. Die SVP stellte einen Kandidaten auf und war damit Steigbügelhalter für die Sozialisten. Unser Hubert Klopfenstein wäre „mehr SVP“ gewesen, als der jetzige Sozialdirektor es ist. Was soll`s?

Eigentlich war schon zu erwarten, dass mehr geschehen würde in der Sozialdirektion. Aber da war nichts. Die Vorlage des SVP-Sozialdirektors zum Budget war das Gegenteil dessen, was er versprochen hatte.

Aber nur einer stand im Rat hin und griff ihn frontal an. Die Reaktion liess nicht auf sich warten. Der Präsident der SVP warf mir vor, ich würde dies nur tun, weil ich den Gemeinderatswahlkampf verloren habe. Nein, sicher nicht. Es hat die bessere Freisinnige gewonnen, ich unterstütze sie vorbehaltlos. Es gibt aber gute Gründe, warum ich nicht der Einzige bin, der enttäuscht ist.

Dann greift Feurer im Journal du Jura an. Dazu war hier schon einmal zu lesen.

Im Stadtrat vom 21.11.13 nahm ich dazu Stellung:

„Gemeinderat Feurer hat mir in einem Interview im Journal du Jura vorgeworfen, ich hätte in der vorletzten Stadtratssitzung ihn von diesem Podest aus unter der Gürtellinie angegriffen und keine konkreten Vorwürfe formuliert. Dagegen verwahre ich mich in aller Form. Mein Votum ist auf meinem Blog nachzulesen, solange das Protokoll noch fehlt. Ich habe Gemeinderat Feurer konkret an seine Wahlversprechungen aus dem Stadtpräsidentenwahlkampf und aus dem Gemeinderatswahlkampf erinnert. Er hat versprochen, die Steuern massiv zu senken und die Sozialhilfequote zu reduzieren. Dem Parlament hat er in der letzten Sitzung erklärt, dass er noch mehr Stellen beantragt hat als die summa summarum zehn und ein Viertel, die wir dem Volk nächsten Sonntag vorlegen, aber vor dem Gemeinderat abgeblitzt sei. Er hat dem Parlament erklärt, dass in seiner Direktion alles schön aufeinander abgestimmt sei und deshalb nicht verändert werden könne. Das steht in krassem Widerspruch zu seinen Versprechen.

Gemeinderat Feurer hat seine Versprechen nicht gehalten. Hinzu kommt, dass er mich öffentlich unrichtig beschuldigt hat und falsches Zeug redet. Er wird damit leben müssen.

Es gibt Grenzen der Kritik. An die müssen wir uns halten. Richtig und wichtig ist die Kritik an der politischen Arbeit, der sich jeder stellen muss. Wir sind hier für Auseinandersetzungen, faire Auseinandersetzungen. Daran sollte sich auch ein SVP-Gemeinderat halten.

Man mag einwenden, dies sei jetzt wirklich nicht mehr nötig. Ich halte es für notwendig, weil nämlich die SVP mit einem Gemeinderat Feurer ihre Wähler hinters Licht führt. Das schadet uns, die es besser können.

Der Gemeinderat weiss nicht, was er zum Budget 2014 meint.

Hat sich der Bieler Gemeinderat zum Budget 2014 geäussert? Öffentlich? Sollte er aber.

Will er nicht, weil er nämlich selbst nicht weiss, was er soll.

Es ist ziemlich unangenehm: das Parlament hat den Vorschlag des linken Gemeinderates angenommen, mit weniger drastischen Eingriffen bei einigen Institutionen. Aber die Mehrheit der Parteien, die im Gemeinderat vertreten sind, lehnen das Budget ab. Dass unsere Gemeinderätin hinter dem Budget 2014 steht, das wissen wir. Wie steht es aber mit dir, lieber Stadtpräsident? Das möchten wir hören. Gerne noch vor der Abstimmung.

Touché! Und kein bisschen weiter.

Habe ich den wunden Punkt getroffen, als ich im Stadtrat dem Sozialdirektor die Leviten gelesen habe?

Der Sozialdirektor wirft mir im Journal du Jura vor, ich hätte ihn unter der Gürtelline angegriffen. Ist das so? Ich denke nicht. Gleichzeitig sagt er, ich hätte keine konkreten Vorwürfe. Die Journalistin zeigt mit der nächsten Frage das Gegenteil. Und unser Sozialdirektor hat keine Antwort:

Lors de la dernière séance du Conseil de ville, Leonhard Cadetg (FDP) vous a reproché d’avoir fait de fausses promesses (réduire la quotité d’impôt) et de ne pas faire votre travail correctement. Vous n’avez pas répondu à ces attaques. Pourquoi?

Ces attaques étaient au-Dessous de la ceinture et il n’avançait rien de concret. J’avoue ne pas avoir tout su en détail de la situation de la Ville, il y a un an, avant les élections.

Leonhard Cadetg vous a concrètement reproché de vouloir créer des postes alors que l’administration est contrainte de faire des économies.

Pour mettre en oeuvre les mesures concrètes pour réduire le taux de bénéficiaires de l’aide sociale, il faudra des ressources, du personnel et des locaux. Nos collaborateurs doivent déjà accomplir davantage de tâches. Les charger encore plus ne serait pas supportable. C’était donc justifié.

Le radical s’est fait le porteparole de certains qui avaient de grandes espérances en vous élisant et qui ne voient toujours rien venir. Les attentes des électeurs étaient donc trop grandes?

Il est vrai que les gens espéraient des résultats rapides. J’attendais aussi beaucoup de moimême, peut-être trop. Le temps d’analyse est nécessaire pour trouver les meilleures solutions. Les décisions prises dans l’urgence ne sont jamais les bonnes.

Etes-vous à la hauteur de cette tâche?

Je me sens à l’aise dans ma Direction. Ce n’était pas facile d’apprendre les rouages de cette nouvelle fonction. Mais en neuf mois, j’ai bien progressé. Et je connais maintenant la plupart des affaires de la Direction.“ (Journal du Jura, 02.11.13, S.5)

Er ist der Aufgabe schlicht nicht gewachsen. Ein Beispiel aus dem Interview? Mit dem Sozialinspektor gehe die Zahl der Sozialhilfebezüger zurück. Es sind zurzeit 6000, geschätzt werden 120, die missbräuchlich Unterstützung verlangen. Erwischt man sie, sinkt die Sozialhilfequote einmalig um 2 Promille. Das ist nichts.

Entschieden mehr ist gefordert! Sofort kann die Quote nicht gesenkt werden. Aber durch hart arbeiten, intelligent analysieren und rasch entscheiden kann der Erfolg kommen. Der Sozialdirektor hatte Zeit. Er hat versprochen, dass er die Steuern senkt, dass er die Sozialhilfequote sozialverträglich drückt, dass er handeln wird. Wie das wohl zu beurteilen ist?

Wir verlangen keinen Erfolg. Wir verlangen nur, dass Versprechen gehalten werden. Es war kein leeres Versprechen, man kann es. Ansatzpunkte sind längst bekannt, wie sie zum Beispiel Andrea Sommer in der BZ zitiert.

Liebe SVP, wie lange schaut ihr dem noch zu?

Zusatzfrage: Stellt ihr euch einer wirklichen Wahl, wenn es um den Ersatz eurer Enttäuschung im Gemeinderat geht?

Biel, Budget 2014 – Stellenschaffungen

Der Antrag des Gemeinderates, auf Antrag von Gemeinderat Feurer, Sozialdirektor SVP an den Stadtrat gestellt: „Unter Vorbehalt der Annahme des Voranschlages der Einwohnergemeinde Biel für das Jahr 2014 durch die Stimmberechtigen der Stadt Biel werden auf den 1. Januar 2014 11.25 Stellen in der Direktion Soziales und Sicherheit (Abt. Soziales / EKS / Öff. Sicherheit) definitiv geschaffen“  und „01.00 Stelle in der Direktion Soziales und Sicherheit (Abt. Öff. Sicherheit) befristet auf zwei Jahren geschaffen.“ Er lässt auch zwei Stellen streichen, schafft also 10.25 Stellen.

Was ist dazu zu sagen? Dies hier:

Sehr geehrter Herr Stadtratspräsident, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen

Eines muss der Sozialdirektor allerdings den Wählerinnen und Wählern erklären. Er stellt unter dem Strich den Antrag zur Schaffung von 10.25 Stellen in seiner Direktion. Er hat dem Gemeinderat sicher noch mehr Stellenschaffungen vorgeschlagen. In zwei Wahlkämpfen versprach er, die Steuern zu senken. Er wusste, dass dies Personal und Aufgaben betrifft. Hat er wissentlich etwas Falsches gesagt? Oder ist er der Aufgabe nicht gewachsen? Wenn wir uns an seine Voten im Rat erinnern, dann müssen wir annehmen, dass es einfach nicht besser kann. Bitter. Und interessant, dass er immer noch geschützt wird.

Wie auch immer: Was ist Sache, Herr Gemeinderat Feurer?

Und sagen Sie uns nicht, Sie bräuchten mehr Zeit, weil alles so kompliziert sei. Sie und alle die Sie unterstützten, wussten, worauf Sie sich eingelassen haben. Sie hatten zuerst neun Monate Wahlkampf und jetzt neun Monate Gemeinderat, da sollten etwas zu gebären sein. Sie verdienen genug und haben genug versprochen.

Was sagt er dazu?

Er beginnt mit einem Dank an den Stadtpräsidenten, der gut dargestellt habe, was Sache sei. Dann geht es, wie üblich, irgendwie in eine komische Richtung, indem die Änderung im Direktionssekretariat blumig erklärt wird. Dann die Stelle der FAI, es fehle eine Information, nämlich dass es eine neue Entschädigungsregelung des Kantons gäbe. Sie müssten also Stellen schaffen können, aber der Gemeinderat habe es nicht gewollt. Habe ich das nicht gesagt? Die FAI sei erweitert worden auf die Region, die Gemeinden der Umgebung würden die Stellen finanzieren, die Leistung müsse erbracht werden. Darüber hinaus ist es die falsche Diskussion, es gehe nicht um das FAI. Um was dann? Mit den Stellen könnten andere Prioritäten gesetzt werden. Da kommt mir die Idee der progressiven Abbausteuerung… In der Abteilung Sicherheit ist es ein ganz stark vernetztes Zusammenschaffen. Die Effizienz kann nur aufrecht erhalten werden, wenn die Abteilung nicht gestört wird. Gerade das hätten Sie, Herr Sozialdirektor, schon längst tun müssen! Hallo? Aufwachen!

Zum Angriff nimmt er nicht Stellung, was ganz geschickt ist. Was nichts an der Kritik ändert.

Demokratie braucht Zeit, die Stadtordnung auch. Deshalb: Nein.

Die Stadtordnung hat der Stadtrat verabschiedet. Am Donnerstag. Am Montag drauf wurde die Botschaft an die Bevölkerung in Druck gegeben. Ohne Zustimmung des Stadtrates, ohne richtig gewählte Redaktionskommission, die ihrerseits keine Präsidentin, keinen Präsidenten hatte, nie zusammen gesessen ist und halböffentlich bis Sonntagnacht über Mail versucht hat, sich eine Meinung zu bilden.

Der Stadtrat ist für die Botschaft ans Volk verantwortlich. Er muss sie genehmigen und kann sie redigieren. Sie liegt vor der Debatte im Entwurf vor. Kann es sein, dass der Rat um Mitternacht darüber qualifiziert entscheidet? Können Ratsmitglieder nach einem Arbeitstag, nach fast fünf Stunden Sitzung und geschätzt die Hälfte nach leichtem Alkoholkonsum noch rational entscheiden? Ist es möglich, nach komplizierter Debatte im erschöpften Zustand die Formulierungen auf ihre Gültigkeit, ihre Verständlichkeit und ihren inneren Zusammenhang zu prüfen, wenn gleichzeitig noch verändert werden muss, ohne dass diese Veränderungen der Botschaft wirklich vorliegen? Nein. Der Rat nimmt so die Verantwortung nicht wahr.

Deshalb gibt es die Institution der Redaktionskommission. Und die, die braucht auch Zeit und eine Chefin oder einen Chef, damit sie die Botschaft ordentlich redigieren kann. Das ist nämlich nicht Sache der Verwaltung.

Als ich aus der Debatte heraus im Facebook meldete, dass ich der Teilrevision wohl nicht zustimmen werde, war noch nicht abschätzbar, was auf uns zukommen würde. Im Nachhinein sind nicht viele zufrieden mit diesem Text:

Aus Sicht der Gegnerschaft ist die Teilrevision der Stadtordnung in drei Punkten ungenügend:

  1. Die Konsultativabstimmungen über kantonale und nationale Themen gaukeln vor, es könnten Entscheide gefällt werden. In Tat und Wahrheit bedeuten sie Aufwand, sind eine Mogelpackung und führen nicht zu grösserer Stimmbeteiligung.
  2. Mit einer Initiative wird hingegen direkt verändert. Wer eine Initiative startet, muss auf die Strasse und in die politische Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürger. Initiativen in der Stadt Biel sollen deshalb mit 1500 Unterschriften zustande kommen. Die Bestimmung „1/15 der Stimmberechtigten“ ist kompliziert und zu hoch.
  3. Die Vertretung des Personals der Verwaltung im Stadtrat ist problematisch, da die Abhängigkeiten selten in der notwendigen Transparenz offen gelegt werden können. Wer würde sich als Parlamentarier/in nicht überlegen, ob seine eigene Arbeit belastet wird? Wie in andern Städten längst üblich, gehören deshalb städtische Angestellte nicht ins Parlament.“

Im Nachhinein sind nicht viele zufrieden mit diesem Text. Ich bin es, ich finde ihn gut und richtig.

Bieler Gemeinderat und Lokalpresse: Kommentare sollten keine Glückssache sein…

Der Kommentar im Bieler Tagblatt vom 13. April 2013 zur Arbeit des Bieler Gemeinderates zeichnet sich durch wenig Distanz und wenig Aufmerksamkeit aus. Es gäbe genügend Gelegenheit, sich ein differenzierteres Bild zu verschaffen, zumal kürzlich doch ganz bedenkenswerte Dinge im Stadtrat geschehen sind.

Was ist nicht gut? Nun, 100 Tage sind keine logische Grenze. Von der Baudirektorin wäre von der ersten Vorlage an mehr politisches Gespür für die neue Situation zu erwarten und der Stadtpräsident ist sehr wohl mitverantwortlich für ein ausgeglichenes Budget. Gemeinderat Feurer wird an seinen Wahlversprechen zu messen sein, wir werden ihn hoffentlich unterstützen, für die Beurteilung ist es heute viel zu früh. Völlig falsch ist auch die Einschätzung der Erfolgschancen von Cédric Némitz, der zwar kaum bürgerliche Politik betreiben wird, aber gegenüber seinem Vorgänger schon in den ersten drei Monaten Qualitäten gezeigt hat, die dem politischen Diskurs langfristig zuträglich sind: Er hört zu, denkt selbstständig und will offenbar verstehen.

Nun gut, es bleibt Raum zur Verbesserung. Mal sehen, ob Kritik auch ankommt…