Budget 2016 – zum Zweiten und Nein.

Es ist der 24. Februar 2016 kurz nach 18 Uhr. Da sitzen sie wieder, die Stadträte und fünf Gemeinderäte. Der Innocampus ist unbestritten, da sind wir über alle Fraktionen einig. Die paar kleinen Fragen und Bemerkungen tun nicht viel zur Sache.

Und dann kommt sie, die zweite Debatte zum Budget 2016. Dass der Gemeinderat die Abstimmung anders interpretiert als ich, das ist nicht weiter erstaunlich. Das ist ideologisch begründet. Der Gemeinderat hat sich nicht für das Budget eingesetzt, allen voran konnte der Stadtpräsident keinen Einfluss auf seine Fraktion gewinnen. Erich Fehr also, der den Entwurf dieses Budgets zu verantworten hatte, weil er glaubte, wir würden angreifen. Haben wir nicht getan und den Gemeinderat, den rot-grünen, unterstützt. Damit sind wir vor dem Volk eingegangen. Ich habe Kröten geschluckt und das hat nichts gebracht.

Daraus haben die Mitglieder der Mitte-Rechts Allianz der NHS-Debatte nicht alle den gleichen Schluss gezogen.

Mein Votum:

Herr Vizepräsident, Stadträtinnen und Stadträte
Entgegen dem Stadtrat Hamdaoui glaube ich nicht, dass das Volk als Geisel genommen werden kann. Es ist souverän, wählt und stimmt ab. Es spielt, wie ich in der Jugend auch, gerne Eile mit Weile. Es hat diesen Gemeinderat und diesen Stadtrat gewählt und muss manchmal korrigieren. Das hat es getan. Wir versuchen, das Zeichen zu lesen und tun das aus unserer je eigenen politischen Perspektive. Hier ist meine Interpretation des Abstimmungsresultates.
 
Fakten. Hätten 9% mehr der ersten Variante (ein Zehntel Steuererhöhung) zugestimmt, wäre sie angenommen worden. Der zweiten Variante (eineinhalb Zehntel) fehlten 21%.
 
Auch in der Stichfrage zeigt sich dieses Bild: Im Verhältnis 2:1 wird der kleineren Steuererhöhung der Vorzug gegeben. Daraus lässt sich eines leicht ableiten: Keine Steuererhöhung!
 
Allerdings haben nur 30% an der Abstimmung teilgenommen. Den Übrigen ist es einerlei, ob die Stadt ein Budget hat oder nicht.
 
Dem Stadtpräsidenten, der Baudirektorin, dem Sozialdirektor und dem Schuldirektor offenbar auch. Wobei, dem Beat Feurer seine SVP-Fraktion hat das Budget unterstützt, trotz Steuererhöhung und auch gegen ihren Willen. Ganz im Gegensatz zur Barbara Schwickert, ihre Grüne Parteikolleginnen und Parteikollegen haben an vorderster Front für ein doppeltes Nein zum Budget des Gemeinderates und damit auch ihrer Gemeinderätin kämpften. Dass Gemeinderat Némitz sich nicht für die Finanzierung von Kultur und Schule einsetzte, mag mit viel gutem Willen verständlich sein. Dass aber Stadtpräsident Fehr die Finanzdirektorin Steidle alleine kämpfen liess und seiner Fraktion keine Zustimmung zur Steuererhöhung abringen konnte, das wäre in der Ära Stöckli nicht vorgekommen. Der Stadtpräsident findet, es sei Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren und das Departementalprinzip müsse hochgehalten werden. Ich finde, er hätte sich in seiner Fraktion wirkungsvoll einsetzen können. Sie haben also alle an sich selbst gedacht, sie wollen von ihren Leuten wiedergewählt werden. Das ist verständlich.
 
Und so ist auch das vorliegende Budget verständlich. Keine der Massnahmen, die zur Verbesserung geführt haben, verlangte einen unangenehmen Entscheid. Man kann es schönreden oder aus Angst zustimmen. Man kann die Last des Personals, und das tut mir wirklich leid, als Grund nehmen. Ich kann das nicht. Ich sehe kein Budget mit dem Willen, das strukturelle Defizit wirklich anzugehen. Kein Wille, die Schulden heute zu vermeiden, denn das sind Lasten auf den Schultern unserer Kinder. Keine Voraussicht, was mit der Unternehmenssteuerreform droht, ausser der flapsigen Bemerkung, es wäre ungerecht, wenn wir Privaten das Loch alleine stopfen müssten. Das werden wir aber. Entweder direkt oder über die Arbeitslosenkasse und die Sozialhilfe, und das tut weh.
 
Nein, den zusätzlichen Ausgaben kann nicht zugestimmt werden. Der Steuererhöhung unter diesen Umständen auch nicht, denn jetzt muss dieser Rat und muss der Gemeinderat erst einmal zeigen, dass er nicht einfach kreative Einnahmepolitik und steigende Belastung will, sondern eine verantwortungsvolle Haushaltpolitik.
 
Im Bewusstsein der Diskussionen in den Fraktionen und im Bewusstsein, dass das drohende Notbudget und die wenig fruchtbare Zeit ohne Budget die nötigen Ja-Stimmen an der Urne generieren werden, werden von den Gegnern keine Änderungsanträge gestellt.
 
Ich bin nicht zufrieden. Ich lehne das vorliegende Budget ab.“
Die Diskussion wird durch einen Ordnungsantrag abgeschlossen, die Finanzdirektorin präsentiert ihre Überlegungen, launig und versöhnend. Meine Überlegungen, legt sie dar, brächten nicht, zurückblicken auf die Abstimmung sei unsinnig. Jetzt schon, Silvia Steidle, jetzt und in deiner Rolle sicher. Dann führt eine Intervention auf ein Zurückkommen auf die Rednerliste. Peter Bohnenblust zeigt unsere Kompromisse in NHS und erster Budgetdebatte. Was Silvia Steidle provoziert, nochmals darauf zu bestehen, dass jetzt die Vergangenheit liegen gelassen werden soll. Niklaus Balzer weist darauf hin, dass meine Forderung nach keiner Steuererhöhung insofern falsch sei, als dass damit die Schulden nur noch wachsten würden. Ja, das ist so. Allerdings ist eine Bedingung gesetzt: Zeigt den Willen zu Einschnitten! Auch die nächsten Votanten nehmen meine Argumente auf und widersprechen.
Nach der Pause wird es mit den Direktionen weiter gehen und das Budget schliesslich ans Volk überwiesen werden.

Negative Profilierung?

In der Politik ist Lügen an der Tagesordnung. Das ist zwar unangenehm für die Wähler/innen und spricht nicht gerade für einen Exekutivpolitiker, aber Lügen haben in der Regel kurze Beine. Tricks werden auch gerne angewendet. Werden sie entlarvt, dann wird abgestraft.

All das geschah auch während der Haushaltsanierungsdebatte im Bieler Stadtrat. Der Trick des Gemeinderates ging etwas daneben und Mitte-Rechts hat betupft reagiert. Es ist ja auch enttäuschend, wenn der gemeinderätliche Vorschlag ernst genommen wird, wenn ernsthafte Beschlüsse zur Verbesserung gefasst werden sollten und wenn die Hitzköpfe in den eigenen Reihen dazu verpflichtet werden, nichts aus dem „Topf B“ zu nehmen – und dann lässt einen der Angegriffene mit einer List ins Leere laufen. Das Mitmachen war für mich persönlich zwar vernünftig, ging mir aber ziemlich gegen meinen Willen. Wenn nun die Linke beleidigt reagiert, dann ist das alles andere als konstruktiv.

Trotz dem Ernst der Lage werde ich versuchen, die Sanierung der Bieler Finanzen zu unterstützen. Ich werde versuchen, meine etwas konsequentere Haltung – mehr Einschnitte, weniger Steuererhöhung – nicht bis aufs Letzte zu verteidigen, sondern das Machbare und Tolerierbare zu suchen.

Zum TOBS? Von mir bekommt keiner eine Stimme zum Tod des Orchesters. Das ist wichtige Kultur und da sind meine Freunde drin, habt bitte Verständnis. Allerdings haben in der Debatte Orchestervertreter gesagt, man würde vielleicht das Ergebnis verbessern können und hätte einfach einen offeneren Auftrag gebraucht. Das schleckt keine Geiss weg: Der Kulturdirektor hat die Summe genannt, jetzt wird sie im Raum stehen und wahrscheinlich auch umgesetzt werden.

Der nächste Meilenstein könnte die Ablehnung des Bieler Budgets 2016 sein. Die Versuchungen zur negativen Profilierung sind gross, 2016 sind Wahlen.

Personalkosten ungleich reduziert

Die Verwaltung wächst von selbst. Gerade deshalb sind wiederkehrende Sparrunden wichtig. Sie regen an: Braucht es diese Funktion oder jene Stelle wirklich? In der Vorlage des Gemeinderates nehmen sich das nicht alle Direktionen zu Herzen.

Personalkosten machen einen rechten Teil des Aufwandes aus. Wenn in der aktuellen Haushaltsanierung der Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt gerichtet wird, dann müssen zuerst drei Punkte geklärt werden:
Der Lohn und die Arbeitsbedingungen müssen vergleichbar sein und bleiben, das ist eine politische Aufgabe. Die Arbeit muss in der Arbeitszeit zu leisten sein, was eine Managementaufgabe ist. Stellenabbau muss sozialverträglich erfolgen, was bei der hohen Fluktuation der Stadt Biel und mit etwas Zeit möglich ist.

Das wären eigentlich auch die drei Punkte, die der Personalverband vertreten müsste. Dass er sich für eine Steuererhöhung ins Zeug legt (BT 04.04.15), ist umso unverständlicher, als bisher kein einziger ernstzunehmender Versuch unternommen wurde, die Löhne zu senken oder die Arbeitszeit zu erhöhen.
Wenn hier von der Senkung der Personalkosten die Rede ist, dann geht es also um bessere Organisation und Aufgabenverzicht. Um nichts anderes.
Im Sparvorschlag des Gemeinderates werden Personalkosten reduziert. In der Präsidialdirektion fallen etwa 10% der Vollzeitstellen weg, in der Finanzdirektion sind es 6%, in der Baudirektion 2% und in den beiden andern – Bildung und Soziales-Sicherheit – 0%. Wer hat da seine Hausaufgaben nicht gemacht? Wir wollen eine fitte Verwaltung. Das geht nicht ohne die Arbeit der Chefs während der Haushaltsanierung.

Die Berechnungsgrundlagen für diese Analyse:

  1. Als Basis werden der gemeinderätliche Bericht „Nachhaltige Haushaltsanierung (NHS) / Massnahmenpaket 2016+“ und der Geschäftsbericht 2013, Personalstatistik S. 36 verwendet.
  2. Stellenschaffungen werden nicht berücksichtigt, bis auf diejenige des zentralen Einkaufs, die in den Direktionen kompensiert werden können sollte.
  3. In den Ausführungen des Direktors DSS anlässlich der Information des Stadtrates über das Haushaltsanierungspaket wurde präzisiert, dass die Massnahme 3-24 „optimierte Abteilung Soziales“ nicht realisierbar sei. Sie wird also nicht berücksichtigt.
  4. Anlässlich dieser Information hat derselbe Gemeinderat erklärt, dass das Personal, das für die Kontrolle des ruhenden (3-5) bzw. des rollenden (3-7) Verkehrs neu eingestellt wird, die Aufgaben der Marktpolizei (3-6) übernehmen könne. Die Stellenreduktion in 3-6 ist also keine und wird deshalb nicht berücksichtigt.
  5. In den Direktionen DSS und BKS müssten die Mitarbeiter/innen, die kantonal finanzierte Stellen besetzen, nicht berücksichtigt werden, wenn das Verhältnis gebildet wird. Da diese Direktionen keine Stellen abbauen, ist die Korrektur vorläufig nicht nötig.

Sparen in Biel – Saison 2015, Folge 2

Warum ich ruhig war in den vergangenen Wochen? Drei Gründe:

Beobachten war aufschlussreich

Während der Stadtpräsident die Verantwortung für seinen Gemeinderat nicht übernehmen will, hat sich der Sozial- und Sicherheitsdirektor wie immer verhalten, während der Bildungs- und Kulturdirektor sich als dramatischer Schauspieler hervortat, dem es offenbar egal ist, dass wir wissen, dass er spielt.

Die Rechnung 2014 ist wiederum durch die Spezialfinanzierungen verschleiert worden. Denken die, man könne uns Bürgerinnen und Bürgern die Wahrheit nicht zumuten oder glauben sie, wir merkten es nicht? Die entscheidende Frage ist, ob das strukturelle Defizit ab 2018 auf 40 oder eher auf 15 Mio. Franken steht. Die Rechnung und die Prognose gäben dazu Hinweise, würden sie transparent dargestellt werden. Und ja, wenn mein Vorstoss umgesetzt wäre, könnte das jeder und jede selbst tun.

Nachdenken war nötig

Was steckt wirklich hinter den einzelnen Vorschlägen? Wie viel ist rechnerischer Trick und was geht gar nicht?

Meine vorläufige Bilanz ist durchzogen. Zwei der fünf Direktionen haben sich die Verwaltung vorgenommen. Die andern haben ihr Problem aus ihrem Palast heraus gehalten. Das Einmaleins der Einschränkung des Ausgabenwachstums ist die Kürzung der Sachmittel und die Aufhebung von Stellen. Weil ein Fünftel der Stadtangestellten jährlich ihre Stelle verlassen, ist letzteres sozialverträglich möglich. Und die Erwartung ist nicht gleiche Leistung mit weniger Personal, sondern es sind eben Einschnitte. Es geht um Aufgabenüberprüfung. Ziel ist eine fitte Stadt Biel.

Dass ich mein Theater und mein Orchester will, daraus habe ich keinen Hehl gemacht. Das geht andern mit anderem genau so. Dass es von mir keine Unterstützung für eine Steuererhöhung gibt, solange nicht wirklich gekürzt wird: Ebenfalls. Was ist aber realisierbar im Stadtrat, was setzt der Gemeinderat um und welche Budgetvorlage hat überhaupt Chancen?

Zusammenhalt ist unabdingbar

Für alles, was wir erreichen wollen, brauchen wir Mehrheiten. Keine Zufallsmehrheiten und keine vorläufigen Allianzen. Denn wir werden mit dem Ergebnis leben müssen. Dazu braucht es Gespräche, viele Gespräch. Die vorläufigen Ergebnisse zu veröffentlichen, machte in den vergangenen Wochen keinen Sinn, zumal ich dabei viel lernte und damit auch meine Haltungen zu Einzelheiten veränderte.

Ein gutes Ergebnis gibt es nur mit einer Zusatzrunde, mit einer zweiten Lesung. Das Budget 2016 kann der Gemeinderat aufgrund der ersten Lesung erstellen. Aber der Beschluss zur nachhaltigen Haushaltsanierung darf  erst aufgrund der Nachbesserungen durch den Gemeinderat gefasst werden. Korrekturen alleine genügen meines Erachtens nicht. Die Freisinnigen wollen tragfähige Beschlüsse für eine erfolgreiche Zukunft des Wirtschaftsstandortes Biel. Das geht nicht in einer einzigen Lesung, die mit grosser Wahrscheinlichkeit einiges Geschirr zerschlägt.