Stadtordnung – Projekt Totalrevision

Die Totalrevision des Bieler Organisationsreglementes soll Grundlage für eine gute, funktionierende Infrastruktur und Verwaltung, Sicherheit und Sauberkeit, zu tolerierbaren Kosten mit möglichst viel Freiheit für die Einzelne, den Einzelnen sein. Der Stadtrat beschliesst dank der Intervention des Freisinns ein breit akzeptiertes Vorgehen. Die Vorbehalte betreffen die Ausgestaltung und die Inhalte der Stadtordnung. Die Kommission wird mit einer linken Mehrheit und einer rechten Präsidentin besetzt.
Es ist einfacher, als dies in der Vorlage an den Stadtrat am 16. März 2017 steht: Die Stadtordnung ist nur ein Organisationsreglement. Es ist zwar das höchste Reglement, das die Stadt hat. Aber es ist keine Vision und kein Leitbild. In der Stadtordnung könnte zwar sinngemäss stehen: „Die Stadt gibt sich ein Leitbild, das der Gemeinderat unter Beizug des Stadtrates mit der Bevölkerung entwickelt und über das abgestimmt wird.“
Die Projektorganisation und damit auch die Partizipation wird aber gerade damit begründet, dass allgemeine Ziele der Bieler Politik hineingeschrieben werden sollen. Also zum Beispiel “ Die Stadt strebt gesunde Finanzen bei moderatem Steuersatz an“. Und gleichzeitig: „Die Stadt unterstützt vielfältige Kulturinstitutionen und Kulturprojekte.“ Es ist leicht zu sehen: Am Schluss haben wir entweder nichts oder verletzen die Stadtordnung laufend, ohne irgendeine Konsequenz.
Wir sind uns auch gar nicht sicher, ob die Partizipation erfolgreich gestaltet werden kann. Wir befürchten, dass sie Frust und damit zusätzliche Gegenstimmen erzeugen wird.
Wir teilen auch nicht die Euphorie bezüglich dem externen Experten. Eigentlich hatten wir gedacht, wir hätten eine Stadtschreiberin, die diesen Prozess führen kann. Und wir haben nach geltender Ordnung einen Gemeinderat, der einen Entwurf vorlegen muss. Uns ist der Prozess zu teuer und zu abenteuerlich.
Nun inhaltlich:
Eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Ziele findet ständig statt. Denken Sie an den Geschäftsbericht, die gemeinderätlichen Legislaturziele oder den Wahlkampf. Der Gemeinderat möchte aber diesem Dialog ein grösseres Gewicht geben. Die Stadt soll sich wichtiger nehmen und das Leben ihrer Bewohnerinnen und Bewohner stärker beeinflussen. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine gute, funktionierende Infrastruktur und Verwaltung, Sicherheit und Sauberkeit, zu tolerierbaren Kosten mit möglichst viel Freiheit für die Einzelne, den Einzelnen. Deshalb raten wir dem Gemeinderat, pragmatisch vorzugehen. Er trägt die politische Verantwortung.
Die Freisinnigen haben in der letzten Stadtratssitzung eine Verschiebung des Geschäftes angestossen. Der runde Tisch, der alle Fraktionen zusammenbrachte, zeigte Erfolg. Die neue Vorlage klärt die Rollen und nimmt den Gemeinderat in die Pflicht.
Die Grünen wollen möglichst viel Transparenz in der Kommission, solange sie noch vorberatende Spezialkommission ist. Dem ist zuzustimmen.
Als Fazit sei allen Beteiligten eines ans Herz gelegt: Je mehr strittige Punkte ihren Weg die Abstimmungsvorlage der Stadtordnung finden, desto mehr Gegnerinnen und Gegner sammelt sie. Wir wollen Erfolg und keine Wahlkampfvorlage.
Soweit, so gut. Mit der Kommissionsbesetzung nach der Pause setzt sich die Linke durch. Auf der rechten Seite fehlen Dillier, Güdel, Löffel und Gurtner-Oesch. Präsidentin wird die Welschfreisinnige Natasha Pittet. Was lernen wir? Disziplin bringt Mehrheit.

A5 – man darf sich freuen!

Es ist eine Freude, sich den fertigen Bau der A5 vorzustellen. Der Zugang zum See wird leicht, der Strandboden aufgewertet, die Zufahrt zum Bahnhof aus den umliegenden Orten direkt und ohne Belastung für unsere Quartiere. Die Nachbarn Biel und Nidau dürfen endlich weiter zusammenwachsen, die Bernstrasse verliert nämlich ihre Funktion als Riegel und als Burggraben. Wir werden über den Verkehr in der Stadt sprechen und dafür Sorge tragen, dass sie lebenswert ist. Die A5 in Biel muss fertiggestellt werden, sie schickt den Verkehr in den Untergrund.
Klar, der Bau ist eine Belastung, eine erhebliche Belastung. Das haben wir im Brüggmoos und auf dem Bözingenfeld ansatzweise gesehen. In der Stadt drin wird es noch schrecklicher. Aber es sind zehn Jahre für viele Jahrzehnte Entlastung und Leichtigkeit.
Was ist die Alternative? Doppelt so viele Fahrzeuge auf der Ländtestrasse, endloser Stau und viel Verlust für alle Beteiligten!
Die Trauerarbeit der Stadtwanderer und Anti-Auto-Lobbyisten ist nötig und verständlich. Es geht nicht ohne Opfer. Wir würden uns aber eines grossen und unentschuldbaren Verbrechens schuldig machen, wenn wir den zukünftigen Generationen eine solch verkorkste Verkehrssituation zurück liessen, wie sie sich nach der Fertigstellung des Ostastes präsentiert. Ich verstehe euch, dass ihr wandernd über die Eingriffe weint. Ich verstehe, dass ihr jedes Haus, jeden Baum und jedes Stück Wiese genau anschaut, das danach nicht mehr ist. Ich kann nachvollziehen, dass es für euch eine grässliche Vorstellung ist. Lasst eure Trauer hinter euch und schaut dahin, wo es gut sein wird. Und helft uns diese Last tragen, für diejenigen, die nach uns kommen und eine wettbewerbsfähige und schöne Stadt Biel haben sollen. Trauert, so lange ihr es nötig habt, aber lasst den Blick auf das Schöne zu, das sich aus dem Plan ergibt. Diesen Generationsegoismus müssen wir hinter uns lassen, den Blick hinter unser Opfer der Belastung durch die Baustelle weiten. Biel ist auch nicht Callenbachs Ökotopia, sondern eine reale Industriestadt im Hier und Jetzt, die nicht Ökofundamentalismus und traurigen Schmerz um die Vergangenheit sondern viel mehr Erreichbarkeit und Leichtigkeit nötig hat.
Dem Gemeinderat danke ich für den Mut, heute so deutlich Stellung bezogen zuhaben. Eure Unterstützung ist wichtig und ganz sicher nicht einfach,
Dass der Gemeinderat laviert und sicher nicht Stellung bezieht, das ist so traurig wie erwartbar. Ihm sei ein wenig mehr Mut gewünscht: Frauen und Männer, setzt euch ein für die Zukunft von Biel, dafür seid ihr im Amt!
Jetzt geht es in die Mitwirkung und die Planung der flankierenden Massnahmen. Da sind wir alle gefordert mitzuhelfen. Wie das geht, steht in der Antwort auf unsere Interpellation. Auf mich kann man zählen, denn ich freue mich auf die A5!

Budget 2017 – Alle Jahre wieder

Warum das Budget auch diesmal nicht ausgeglichen ist, wie das übliche Beruhigungsmittel wieder wirken wird und warum die Schulden zulasten unserer Kinder und Kindeskinder immer grösser werden.

Gleich zu Beginn wird es an diesem 13.10.16 in der Budgetdebatte des Bieler Stadtrates etwas unsicher: Die GPK-Sprecherin zweifelt ernsthaft daran, dass das trickreich ausgeglichen erstellte Budget auch eingehalten werde. Die Umsetzung der 55 im nächsten Jahr wirksamen Massnahmen der NHS-Debatte sei fraglich.

Sicher ist hingegen, dass die Schulden eine Zeitbombe sind. Die Stadt Biel kann für alle Investitionen keine eigenen Mittel mehr einsetzen, sie lebt damit vollständig auf Pump. Das ist jetzt bei den tiefen Zinsen kein wesentliches Problem. Aber es ist eine Zeitbombe: Genau dann, wenn durch anziehende Inflation und steigenden Zinsen mit gleichzeitig nur langsam steigenden Löhnen und Steuereinnahmen Arbeitsplätze und jeder einzelne unter Druck geraten, wird die Stadt ein grösseres Defizit einfahren. Sie wird also in der Krise handlungsunfähig bleiben.

Das Budget wird ausgeglichen sein, wenn aus einer Spezialfinanzierung 9.7 Mio. entnommen werden. Ob diese Entnahme stattfindet oder nicht, ändert an den Ausgaben und Einnahmen gar nichts. Sie ist nur ein Beruhigungsmittel, weil die Bevölkerung ein Budget mit realistischen 9.7 Mio. Defizit nie annehmen würde. Um dies zu zeigen, beantragt unsere Fraktion, die Entnahme nicht ins Budget aufzunehmen. Das wird mit grosser Mehrheit (30 Ja zu 12 Nein) abgelehnt.

Wie kann es sein, dass mit einem sehr negativen Betriebsergebnis die Verwaltung nicht reorganisiert und Leistungen rasch abgebaut werden?

Die Finanzdirektorin und ihre Mitarbeitenden haben gute Arbeit geleistet. Der Gemeinderat werde sich auch einsetzen, dass die NHS-Beschlüsse umgesetzt oder zumindest anderweitig kompensiert würden.

In der Sozialdirektion wird weiterhin die Zahl der Mitarbeitenden erhöht, damit der erschreckend hohen Sozialhilfequote etwas entgegen gesetzt werden könne. Wir dürfen ja gespannt sein, ob dies auch Wirkung entfalten wird. In drei Jahren (2019) werde ich Bilanz ziehen.

Die Beratungen zu den einzelnen Direktionen sind gesittet und ernsthaft. Es wird erklärt und Position bezogen. Änderungsanträge gibt es, ausser dem oben erwähnten, keine.

Das Budget wird so durch den Stadtrat genehmigt.

Das ist nicht gut so. Die Stadt Biel verschuldet sich um weitere 48 Mio., der Cash-Flow verschlechter sich mit den geplanten Investitionen um 3.5 Mio. und der operative Verlust von 9.7 Mio. wird für Stimmenbürgerinnen und Stimmbürger erst auf den zweiten Blick sichtbar. Die finanziellen Probleme werden nicht angegangen und damit auf die folgende Generationen geschoben.

 

Blicken wir zum Abschluss als Beispiel umsichtiger Investitionen auf unsere Betonwüste vor dem Kongresshaus, ein Bild vom 24.08.16.

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Gesunde Ernährung – Stadtrat 12.10.16

Wie der Stadtrat über gesundes Essen redet und den Rückzug der Initiative dazu zu honorieren weiss.

Es ist wieder Stadtrat – und ja, ich habe mein schlechtes Wahlresultat einigermassen weggesteckt. Heute, 12.10.16, gibt es vor dem Budget bei ziemlich gelichteten Reihen – die FDP ist vollständig da – eine Auseinandersetzung um das Essensregelement (Reglement über die gesunde Ernährung in den städtischen Betreuungsstrukturen / Gemeindeinitiative „Für eine gesunde Ernährung“). Eigentlich würde sich das Thema ja lohnen. Aber die Vorlage des Gemeinderates kommt auf den letzten Drücker, das Parlament hat nicht wirklich Zeit, vertieft darüber zu diskutieren. Eigentlich wollte die Initiative eine gesunde Ernährung in den Kindertagesstätten, Tagesschulen und Betagtenheimen. Aber es geht auch lokales Kochen und seeländische Produkte. Ein gutes Essen ist auch saisongerecht. Das wird zwangsläufig zu viel Kohl und Kartoffeln im Winter führen, falls das Ganze nicht wie üblich nicht so streng gehandhabt wird.

Soweit so gut. Einerseits kann das viel kosten, weil Küchen sowie Köchinnen und Köche heute vor allem in den Tagesschulen fehlen. Anzuerkennen ist die Arbeit der Verwaltung, die in kürzester Zeit geleistet werden musste. Jedoch sagt das Reglement wenig bis nichts aus über die finanziellen Folgen und die praktische Umsetzung ist noch nicht durchdacht. Ferner werden Dritte von der Produktion der Mahlzeiten ausgeschlossen. Deshalb bringen die Fraktionen FDP/PRR/EVP/EDU und BDP/BVP/CVP einen Gegenentwurf zur Initiative, der einerseits die Wirkung auf die städtischen Einrichtungen einschränkt und andererseits die industrielle Produktion nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Diese Fraktionen können sich aber mit kleinen Änderungen im Reglement auch vorstellen, dieses passieren zu lassen.

Aus der Sicht der Grünliberalen sei die „kalte Linie“ (kalt angeliefert und aufgewärmt) nicht so ungünstig, wie die Initiantinnen und Initianten das darstellen. Auch die städtische zentrale Grossküche könnte ein Weg sein, aber es ist nicht klar, was diese Lösung bringt und kostet. Deshalb sollte er aus dem Reglement vorläufig gestrichen werden.

Die SP stört es nicht, dass die Kosten nicht klar sind. Es müsse nur klar sein, was wir wollen, die Finanzierung sei später zu regeln. Sie wollen auch die „kalte Linie“ weiterhin ermöglichen.

In der Zwischenzeit sind immer mehr Parlamentarierinnen und Parlamentarier gekommen. Am Rednerpult wird der Zeitdruck kritisiert. Angesicht der  vielen noch nicht abgeklärten Einzelfragen und der noch nicht erfassten Zusammenhängen, sind die Zweifel kaum auszuräumen.

Dann gehen die Fraktionen essen, hoffentlich gesund.

Danach versucht der zuständige Gemeinderat zu erhellen und zu erklären: Was wir alle wollen, sei doch gute Ernährung, die nachhaltig und lokal erzeugt wird. Auch wolle der Gemeinderat, dass die Kosten nicht explodieren, weder für die Eltern noch für die Stadt. Eine zentrale Produktion in Biel mit „kalter Linie“, das sei die Lösung. Mit dem Initiativkommitee wurde lange darüber diskutiert und so seien diese heute bereit, die Initiative zurückzuziehen, wenn das Reglement genehmigt würde. Diese Diskussion und die juristischen Abklärungen haben Zeit gebraucht. Deshalb liegt die Vorlage erst heute im Parlament, das nicht mehr Zeit zum Nachdenken bekommen habe. Auch werde es weiterhin Aprikosen geben und der Kohl werde zu günstigsten Konditionen in grossen Mengen eingekauft, gekocht und gekühlt.

Dann geht es ins Reglement. Der Antrag der Grünliberalen ist der einzige, der bleibt. Sie machen denn auch ihre Zustimmung zum Reglement davon abhängig. Das sind jeweils die interessanten Momente in den Debatten: Wie muss in den abhängigen Abstimmungen Position bezogen werden, damit den eigenen Interessen am besten gedient ist? Stefan Kaufmann fragt in Richtung Initiativkommitee, ob sie mit dieser Änderung auch zurückziehen würden. Tun sie selbstverständlich nicht. Sandra Gurtner-Oesch modifiziert am Rednerpult den Grünliberalen Antrag auf seinen Kern, womit die zentrale Küche auch von einem anderem betrieben werden könnte. Darin ist der Bieler Stadtrat schwach: Solche Lösungen sollten in der GPK oder spätestens während den Fraktionssitzungen formuliert werden. Gleichzeitig ist es aber auch eine Stärke: Auf die Beratungen wird reagiert, die Debatte kann die Meinungen verändern. Nach dem Sitzungsunterbruch wird die Änderung vorgelesen, inklusive Übersetzung, wenn auch holprig. Die Stimmung ist etwas nervös. So kommt Balzer mit einem cleveren, aber nicht umsetzenbaren Vorschlag, den er nach kurzem Schlagabtausch zurückzieht. Dann geht es Artikel für Artikel mit Abstimmungen weiter. Selbstverständlich mit dem üblichen Geplänkel um kleine Ränkezüge hinsichtlich der Inkraftsetzung.

Wer sich vor Augen hält, dass der Gemeinderat auch ohne Reglement genau dies tun könnte, müsste den Vorteil eines Erlasses mit lauter Kann-Formulierungen .

Tags darauf werden das Reglement beschlossen und die Initiative zurückgezogen. Über die Kosten werden wir wachen müssen, sie werden sicher höher sein als heute.

Sozialkommission – Eingeständnis der Unfähigkeit

Fast schon heimlich hat der Gemeinderat beschlossen, den Sozialdirektor durch eine Sozialkommission zu schützen. Warum dies zu erwarten war und warum es ebenso falsch wie hilflos ist.

Sozialhilfe geht uns alle an. Spätestens seit Panini-Bildchen im Schweiz Aktuell von SRF zum unwidersprochenen Menschenrecht geworden sind. Wir wollen, dass jeder in der Schweiz ein Dach über dem Kopf und zu essen hat. Wir wollen, dass alle Kinder die Chance der Bildung bekommen. Wir wollen aber nicht, dass es sich auf Kosten des Staates gut leben lässt. Deshalb muss auch Nein gesagt werden. Dieses Nein zu vertreten braucht breite Schultern.

Der Gemeinderat stand also vor einem Problem. Die Wählerschaft seiner Mehrheit wehrte sich gegen eine Reihe zumutbarer Massnahmen in der Sozialhilfe. Verständlicherweise, wird das Leben für einen Teil von ihnen doch anstrengender. Die Massnahmen aufheben, das ging nicht. Denn einerseits entscheidet die Sozialdirektion in diesem Punkt selbst. Andererseits ist  die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr bereit steigende Kosten und Sozialhilfequoten hinzunehmen. Also setzt man eine neue Behörde ein (vgl. Bieler Tagblatt vom 03.09.16, Seite 5 und die einschlägige Vorstossantwort). Eine Fachkommission, die in Zukunft darüber entscheidet, ob Missbrauch stärker angegangen, Selbstständigkeit mehr gefördert und das Verständnis für Unlust zur Arbeit gepflegt wird.

Das ist aus mehreren Gründen falsch.

Schon heute sind in der Sozialdirektion die Fachleute am Werk. Den Entscheid muss aber letztlich der Sozialdirektor fällen. Wenn er falsch ist, kann man ihn abwählen oder im Stadtrat die Sozialdirektion anders besetzen. Diese Organisation ist eine gute Sache. Das Volk und das Parlament müssen nicht jede einzelne Massnahme beschliessen, können aber die Richtung vorgeben. So gibt es kein Hüst und Hott – und doch gute Kontrolle.

Mehr Behörden heisst mehr Kosten und mehr Bürokratie. Das Gegenteil wäre nötig: Selbstständigkeit lässt sich nur mit klaren, einfachen und kontrollierten Regeln fördern.

Und dann stelle man sich vor, die Fachkommission wäre zu Beginn der Legislatur schon eingesetzt worden. Chefbeamtin Reusser hätte die Mehrheit locker kontrolliert und sässe noch heute im Sattel. Mit finanziellen Folgen.

Die Sozialkommission soll also „strategische Entscheide“ fällen. Ausser der Frage, was denn strategisch ist, nähme Wunder, warum der Gemeinderat seine Aufgabe nicht mehr machen will und sich trotzdem zur Wiederwahl stellt?

Vielleicht kann er nicht strategisch agieren? Wenn der Gemeinderat die Fachkommission einsetzen will, geht er den Weg weiter, den er gegangen ist: Den Sozialdirektor kalt stellen. Das mag aus der Sicht des Gemeinderates bei den beiden letzten Sozialdirektoren Sinn machen. Aus der Optik der Wählerinnen und Wähler aber ist das falsch. Denn es schiebt die politische Verantwortung in ein Fachgremium und entzieht es der Kontrolle: Gemeinderäte können ersetzt werden, Fachgremien bleiben demokratisch unkontrolliert.

 

Rechnung und Geschäftsbericht 2015

Es ist der zweite Abend Stadtrat in dieser Woche. Ein bisschen harzig fängt die Debatte über die Rechnung 2015 an, etliche Stadträtinnen und Stadträte fehlen zu Beginn. Joel Haueter weist als Fraktionssprecher der SVP auf die Schuldensituation hin, Nathan Güntensperger preist die Konstanz und Wichtigkeit der glp und Urs Scheuss kann es nicht lassen, sich über die Ratsrechte zu beschweren. Stefan Kaufmann erklärt die Position unserer Fraktion und schliesst mit dem Sanierungsprogramm von Rom, das bei etwa 5000 Franken Schulden pro Kopf nahe am Konkurs steht und ein einschneidendes Sparprogramm beschlossen habe. In Biel sind es 13’000 Franken pro Kopf…

Dana Augsburger hätte gerne gestern schon die Eintretensdebatte gehabt und liest deshalb die Rede ihres Fraktionssprechers der SP ab, der heute nicht da ist. Sie findet, in der NHS-Debatte hätten wir über zu kleine Beträge gestritten, denn die unbeeinflussbaren Effekte in der Rechnung seien wesentlich grösser als das, was mit schmerzhaften Reduktionen z.B. bei der Schwanenkolonie oder der Dargebotenen Hand gespart werden wolle. Es gehe nicht um Steuererhöhung versus Leistungsabbau sondern um die Erschliessung neuer Potenziale. Danach kommen Einzelsprecher.

Was lässt sich sagen über das Geschäft? Die Jahresrechnung schliesst besser ab, als budgetiert wurde. Es ist grundsätzlich positiv, wenn die Ausgaben im Personal- und Sachaufwand nicht überschritten werden. Da geht der Dank an die Verwaltung, die das Budget gut aufgestellt und sich unter dem Jahr diszipliniert verhalten hat. Die Rechnung ist die letzte nach den alten Vorschriften. Es stellt sich die Frage nach der Aussagekraft. Die Finanzkennzahlen sind alle besorgniserregend. Die Beschlüsse der Haushaltsdebatte werden erst ab 2018 wirklich greifen. Wir haben in der Stadt eine sehr hohe Schuld.

Die Spezialfinanzierungen wurden schon teils reduziert. Per 01.01.16 werden einige als Eigenkapital erscheinen. Die 3.4 Mio Asylwesen wurde aber um 1.4 Mio. reduziert, entgegen dem Beschluss des Stadtrates. Wie will der Gemeinderat das korrigieren? Das sei ein Rechnungsfehler. Er hat unter dem Strich keinen Effekt, da nichts ausgegeben wurde. Der Stadtratsbeschluss wurde unter falscher Voraussetzung gefasst.

Zuletzt erklärt Silvia Steidle sichtlich zufrieden die Rechnung, dann antwortet sie auf Fragen und kann die Annahme konstatieren.

Der Geschäftsbericht wirft keine grossen Wellen. Auf meine Frage, ob Karton kein Wertstoff sei, kündigt die zuständige Baudirektorin, er werde ab nächstem Jahr kostenlos eingesammelt…

Reglement Wohnbaugenossenschaften unter Dach und Fach

Das Reglement über die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus steht heute Mittwoch, 29.06.16 im Stadtrat. Was meine Haltung ist und wie der Stadtrat entscheidet.

Vorab: Es gibt auch freisinnige Wohnbaugenossenschaften und es ist der Mittelstand, der mehrheitlich in Genossenschaftswohnungen lebt. Über die Wohnbaugenossenschaften stand an dieser Stelle schon einmal etwas in diesem Sinne. Genossenschaften sind also ganz grundsätzlich etwas Gutes. Sie wirken stabilisierend auf die Stadt.

Hingegen geht es um Gemeinnützigkeit und nicht um sozialen und ökologischen Wohnungsbau. Wenn die Stadt also die Genossenschaften unterstützen will, dann muss sie gute Rahmenbedingungen schaffen, faire Baurechtszinsen setzen und sie allenfalls im Betrieb dadurch unterstützen, dass sie Leistungsverträge abschliesst, wenn die Wohnbaugenossenschaften soziale und ökologische Ziele verfolgen, die politisch gewollt sind. So hat Casanostra zum Beispiel zwei Leistungsaufträge der Stadt.

Direkte Unterstützung ist möglich, wenn sie eine beschränkte und zurückzahlbare Starthilfe darstellt. Das kostet die Stadt unter dem Strich nichts, hilft aber beim Auf- oder Ausbau einer Wohnbaugenossenschaft. Die Bevorteilung der Wohnbaugenossenschaften muss aber genau abgewogen werden. Schliesslich sollte die Genossenschafterin nicht wesentlich besser gestellt sein als eine Wohnungseigentümerin.

Zu weit gehen aber zwei Dinge: Eine Fachkommission einzusetzen ist meines Erachtens unnötig. Die Fachleute beider Seiten – der Stadt und der Wohnbaugenossenschaften – können auch ohne bezahlte Kommission funktionieren. Zweitens darf sich die Stadt nicht aktiv als Miteigentümerin der Genossenschaften auftreten. Zum Glück ist Art. 4 des Entwurfs eine Kann-Formulierung, also ist Abs. 2 Bst. c dieses Artikels sicher nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

Noch ein Wort zur Nachhaltigkeit der heutigen Beschlüsse. Der Stadtrat entscheidet mit dem Reglement auch für zukünftige Generationen, wenn die Regeln zur Festsetzung des Baurechtszinses beschlossen werden. Wir dürfen also weder in die eine noch in die andere Richtung übertreiben.

Wie läuft die Debatte zum Reglement? Der Präsident von Casanostra erklärt Darlehensmöglichkeiten, redet von tiefem Risiko und will die Stadt Biel richtig in die Pflicht nehmen. Die Auflagen der Genossenschaften sind hoch, der Marktwert einer Parzelle unter diesen Bedingungen sei eben tiefer. Alfred Steinmann sagt richtigerweise, dass viele der Genossenschaften schon alt sind. Das Eintreten ist unbestritten. Silvia Steidle bezeichnet die Stadt als Vizechampion in Sachen Wohnbaugenossenschaften hinter Zürich und zeigt auf, warum sie gerade jetzt auch das Reglement begrüsst. Genossenschaftswohnungen seien nicht grundsätzlich Sozialwohnungen. Und der Kauf von Grundstücken durch die Stadt diene den Zielen der Stadtentwicklung.

Dann geht es in die Einzelberatung. Dem Kompetenzzentrum gemeinnütziger Wohnungsbau des Regionalverbandes Bern-Solothurn wird kein Mandat zur Koordination zwischen Stadt und Genossenschaften erteilt, wir vertrauen auf die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadt. Zinslose Darlehen werden nicht gewährt. Die Verzinsung von Darlehen wird so angesetzt, dass sie für die Stadt kostenneutral ist. Der stadträtliche Leitentscheid ist selbstverständlich die Streichung eines einzelnen Buchstabens: Das n fällt mit grosser Mehrheit, nur für die Schönheit, ohne weitere Wirkung…

Der Stadt wird die Beteiligung an gemeinnützigen Wohnbauträgern untersagt, sie darf auch nicht in den Vorständen Einsitz nehmen und sich so direkt engagieren. Allerdings dürfen Grundstücke weiterhin ohne Ausschreibungs- und Einladeverfahren weitergegeben werden, denn es gibt Situationen, in denen dies eine unerhörte Bürokratielast darstellt. Später geht es um Berücksichtigung von Leistungen im öffentlichen Interessen bei der Festlegung des Baurechtszinses. Das wird abgelehnt. Hingegen können die Linken beim Verkehrswert punkten, der sich an den Anlagekostenlimiten des BWO orientieren soll. Bezüglich Zinslosigkeit in den ersten Jahren ist sich der Rat zunächst uneins. Die Müdigkeit wird kurz nach zehn Uhr greifbar. Ein flammendes Votum hält Bernhard Leuenberger für den gemeinderätlichen Vorschlag. Der Rat folgt ihm grundsätzlich, beschränkt hingegen die Zeit auf fünf Jahre.

Dem Reglement wird zugestimmt, die Initiativen abgeschrieben.

Der Ratspräsident hat heute Mühe, die Verhandlung zu leiten. Die Ratssekretärin steht ständig neben ihm und aus Gemeinde- und Stadtrat kommen immer wieder Hinweise, wie das Verfahren sei. Da darf man sich nicht vorstellen, was während der Budgetdebatte geschehen könnte.