Wie der Stadtrat an seiner ersten Sitzung zum Budget 2016 eine geeinte Mitte-Rechts-Koalition ohne Übertreibungsgelüste sieht und wie die Eintretensdebatte noch vor Mitternacht im Chaos endet.
Nach der Pause um 20.30 Uhr geht es richtig los: Eintretensdebatte zum Budget 2016 der Stadt Biel. Der Ratspräsident hat ein intelligentes Vorgehen gewählt, er wurde auch gut beraten, danke an Peter Bohnenblust.
Die Sprecherin der Geschäftsprüfungskommission (GPK), Natacha Pittet, dankt dem Gemeinderat für die grössere Transparenz und bedauert, dass es zwei Budgets gibt, der Auftrag im Frühsommer war eigentlich eindeutig. Die GPK nimmt das wahrscheinlichste Resultat des Abends voraus: Beide Budgetentwürfe dem Volk vorlegen und in der Stichfrage der Version mit der tieferen Steuererhöhung den Vorzug geben.
Jetzt der Sprecher der Grünen: Der will mehr und droht mit Biel für alle. Es sei ein mutloses Budget, die Varianten seien gezeichnet von einer Abbau-Strategie. Dass das nicht stimmt, zeigt Hans-Ueli Aebi im Biel-Bienne dieser Woche (14.10.15).
Stefan Kaufmann erinnert an den Auftrag, der erteilt wurde und freut sich auf eine Debatte zwischen denen, die den Franken, den sie nicht haben, ausgeben wollen – und denen, die das nicht gut finden. Es ist ein Riesenkompromiss, dass die FDP eine Steuererhöhung unterstützt. Es wäre gut für die Diskussion, wenn alle Entgegenkommen zeigen könnten. Wir haben trotz der Steuererhöhung ein Defizit von 12 Mio. Die Defizite von heute sind Steuern von morgen und deshalb ungerecht. Wir wollen ein Budget haben, die Umstellung HRM braucht schon viel Anstrengung und die nachhaltige Haushaltsanierung ist uns wichtig. Wir werden sehen, was die Stimmbevölkerung präferiert, wir bevorzugen die Variante mit der tieferen Steuererhöhung.
Für die SVP schmunzelt Joël Haueter, dass die Grünen jetzt, wo sie eine höhere Steuererhöhung dem Volk vorlegen könnten, sie nicht wollen. Sie wollten doch immer zweieinhalb oder mehr Steuerzehntel. Jetzt beantragen die Grünen, beide Varianten mit der tieferen Steuererhöhung zu präsentieren. Mitte-Rechts hat die Sparvorschläge aus dem Topf B nicht angerührt, wir haben der Steuererhöhung zugestimmt, wir haben trotz dem Rückzug des Sparbetrags bei TOBS – es war ein Killerkriterium für viele in der Mitte-Rechts-Koalition – zugestimmt. „Ihr aber verlangt mehr.“ So schlittert die Stadt Biel in eine katastrophale Situation. Die SVP findet es verantwortungslos das Investitionsvolumen massiv zu erhöhen, damit steigen das Fremdkapital, der Zinsaufwand und die Abschreibungen. Auch das negative Ergebnis ist gravieren. Trotzdem sind wir bereit, das von einem linken Gemeinderat vorgeschlagene Budget anzunehmen. Weil ein Sparwillen erkennbar ist und wir halten Wort, indem wir zustimmen.
Der Sprecher der SP ist über die Entwürfe nicht befriedigt, da sie auf der NHS-Debatte basieren. Denkt er wirklich, die Mehrheit könnte sich anders entscheiden? Die gestrichenen Beträge seien zu klein. Er dankt allen, die sich lautstark für mehr Subventionen eingesetzt haben. Zuerst müssen die Ausgaben erhöht werden, sie müssten jetzt nicht über Steuererhöhung nachdenken, das komme später. Nichts dürfe in der Struktur gefährdet werden. Die SP wird erst am Schluss entscheiden, ob sie das Paket unterstütze. Er redet und redet, die Änderungen seien moderat. Es sind 2.5 Mio.
Denis Briechle reklamiert für die Grünliberalen, dass sie schon immer für Sparen und Steuererhöhen waren. Es stelle sich zudem die Frage, ob nicht umgesetzte ASP-Massnahmen und nicht realisierte Steuereinnahmen aufgrund des Pendlerabzuges tatsächlich konjunkturell seien. Es ist ein starkes Entgegenkommen der rechten Seite. Heute stehen wir alle zusammen und sagen: „Liebe Bürgerinnen und Bürger, es braucht die Steuererhöhung.“ Der Stadtrat ging vorsichtig mit den Massnahmen um, die der Gemeinderat in der Haushaltsanierung gezeigt hat. Der Stadtrat hat nichts zusätzliches beschlossen, ja sogar Kürzungen abgelehnt. Das vorliegende Budget ist weit davon entfernt ein Kahlschlag zu sein. Es erkennt die Realitäten. Es ist ein grosszügiges Entgegenkommen.
Dann Einzelsprecher, mein Votum zuerst. Rot-Grün reagiert mit Unmut und Zwischenrufen. Etwas später kommt ein weiterer Grüner: Die Linken wollen selbst sagen, was sie wollen. Der Gemeinderat habe kein Rot-Grünes Budget gemacht. Er hat mit der zweiten, nicht verlangten Variante ein eigenes Budget präsentiert. Das Volk kann entscheiden, deshalb sei der Kompromiss, dass die zweite Variante eine Linke sei.
Nach und nach wird mit der Ablehnung des Budgets gedroht. Der Grüne Fraktionssprecher versucht zu retten und erklärt uns, es sei eine politische Diskussion. Die Steueranlage ist entscheidend. Er stellt den Antrag auf Sitzungsunterbruch und kassiert die erste Niederlage. Sein Vorschlag, beide Budgets mit nur einem Steuerzehntel zu versehen, erntet böse Kommentare. Es ist noch kein halbes Jahr her, da haben sie zweieinhalb gefordert. Der nächste SP-Sprecher hat ein bisschen Mühe, der Bürger wähle immer die tieferen Steuern. Was haben wir immer gesagt?
Allerdings gehe ich dann wieder ans Pult und lese Grün-Rot die Leviten: Sie haben ihre Gemeinderäte in ihren Fraktionen, sie können dafür sorgen, dass hier Vorschläge kommen, die konsolidiert sind.
Ein Grüner Sprecher sieht Kompromisse auf seiner Seite gemacht. Jetzt müsste Mitte-Rechts weiter entgegen kommen. Dass wir den Topf B im NHS nicht berührt und Sparvorschläge nicht umgesetzt haben, das war bereits schon ein Kompromiss. Wie leicht hätten wir heute mit einer Liste kommen können, die auch weitere Einschnitte gefordert hätte, damit unser Auftrag vom Frühsommer vollständig erfüllt wäre.
Die Finanzdirektorin fragt sich, was sie uns sagen soll. Kein Budget zu haben, sei schwierig für die Stadt. Sie erinnert an die Konsequenzen des verspäteten Budgets 2014: Die Prämien an das Personal können nicht bezahlt werden, Weiterbildungen und Supervisionen fallen weg, Reparaturen werden nicht bewilligt, wenn keine Gefahr besteht. Jeder Sektor, jede Stelle der Stadt leidet. Wenn gegen die nötige Steuererhöhung ins Feld gezogen wird, dann gefährden wir den Erfolg der Stadt. Was bedeuten 22 Mio. Subventionen, 6% des Budgets? Ist das viel oder nicht? Das kann nicht gesagt werden, das ist ein politischer Entscheid. Die zweite Variante bringt ein ausgeglichenes Budget aber kaum mehr Leistungen. Sie möchte gerne ihrem Personal eine Woche mehr Ferien geben. Aber wir agieren aus der Sanierungsperspektive, es werden weitere Massnahmenpakete folgen müssen. Der Gemeinderat sei nicht ohne Logik vorgegangen, als er drei Massnahmen des Frühsommers rückgängig gemacht habe. Diese Instiutionen würden sonst sterben und die Streichung der Skilager wurde zurückgewiesen. Heute ist sie beeindruckend. Erich Fehr wird sich im nächsten Stadtpräsidentinnen-Wahlkampf warm anziehen müssen.
Dann kommt der SP-Stadtrat und will eine Lösung finden. Deshalb Unterbruch. Was dann geschieht, ist eine echte Frechheit. Die Ratslinke macht zwei Vorschläge, zieht einen zurück und droht damit, das Budget nicht zu unterstützen. Sechs Monate hatten wir Zeit, unzählige Gesprächsangebote gingen in Richtung Rot-Grün, der Gemeinderat wäre frei gewesen, die zweite Variante anders auszugestalten. Der Vorschlag ist, die Anträge bis auf 395 000 Franken zurückzuziehen und so in die zweite Variante zu schreiben. Dabei soll gleichzeitig der Steuerfuss für beide Varianten gleich gesetzt werden.
Stefan Kaufmann ist sichtlich enerviert. Das ist das befürchtete Chaos. Das ist keine seriöse Basis und auch kein Kompromiss. Es ist die Richtung, die wir nicht wollen: Das Budgetdefizit wird grösser. Die Finanzdirektorin erinnert an die Blockierung der Stadt, die für einen kleinen Betrag riskiert wird. Dann gehen die Heisssporne der beiden Lager ans Pult. Der SVP-Vertreter bleibt dabei moderat, der Grüne ist beleidigend respektlos. Man kann anderer Meinung sein, aber die gegnerische Seite erniedrigen, das liegt nicht drin.
Die Eintretensdebatte ist geschlossen, die Sitzung wird unterbrochen. Wir sehen uns am Donnerstagabend zur Detailberatung.
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